Christian Werner wollte seinen Ohren nicht trauen, als er vergangenen Mittwoch durch seinen Supermarkt in Lichtenfels ging. Er befindet sich nur wenige Meter entfernt, als er eine Mutter zu ihrer Tochter sagen hört: "Wenn Du weiterhin nichts für die Schule lernst, dann stehst Du auch mal dort hinten!" Ungläubig sieht er, wie die Frau dabei auf seine Verkäuferin zeigt. Als Werner die Dame auf ihr Verhalten anspricht, dreht sich diese rum und geht weg.
Doch dieses Erlebnis hinterlässt Spuren bei dem Edeka-Filialleiter, der den Supermarkt bereits in fünfter Generation betreibt. Denn der Job der Verkäuferin ist ein Ausbildungsberuf, den man drei Jahre erlernen muss. Wer nicht in der Schule aufpasse, lande in der Schlange beim Arbeitsamt, aber nicht hinter der Wursttheke. "Es geht um Wertschätzung. Hinter jedem Mitarbeiter steckt ein Mensch, der es verdient, mit Respekt behandelt zu werden", macht er deutlich und setzt sich an den PC, wo er ein emotionales Posting auf der Facebookseite seines Geschäfts verfasst - und damit viral geht.
Binnen kürzester Zeit erlangt der kleine Markt Berühmtheit. Über 53.000 Mal wird der Beitrag geteilt, 9.000 Menschen kommentieren ihn und loben den Chef für sein Rückgrat. Der gibt sich bescheiden: "Ich finde, das ist auch meine Aufgabe, sie nach außen hin zu verteidigen!" Und so sehen das auch die Kunden. Sie alle verurteilen die nur wenig bedachte Aussage der jungen Mutter und kritisieren die Unbekannte scharf. Anstand, Respekt, Empathie sind Worte, die man zwischen den Regalen immer wieder hört.
Mitarbeiterin Lisa Goldfuß zeigt sich dankbar angesichts der Unterstützung, unterstreicht aber auch, dass es sich bei dem Vorfall um einer Ausnahmesituation gehandelt hat: "Wir sind alles nur Menschen hier und keiner will so behandelt werden. Aber die meisten Kunden sind freundlich." Das weiß auch Christian Werner, der dem anscheinend lernunwilligen Nachwuchs nicht nur eine Ausbildungsstelle anbietet, damit dieser direkt aus erster Hand erfährt, was Respekt und Freundlichkeit sind, sondern bietet seiner potentiellen Kundschaft auch weiterhin an: "Die Dame wird jederzeit genauso freundlich bedient, wie jeder andere auch. Und das Kind bekommt weiterhin eine Scheibe Gelbwurst."